Für meine Tochter wurde ich clean

Ein ehemals drogenabhängiger Mann berichtet über seinen langen Weg des Ausstiegs und welche Rolle dabei seine neue Brille gespielt hat.

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Lässig an die Wand der Bahnhofsmission gelehnt, trifft Christiane Faude-Großmann den 35-jährigen Marcel. Er lacht sie an und reicht ihr freundlich seine Hand zur Begrüßung. Aus ihrem Rucksack holte sie ein blaues Brillenetui und reichte es ihm mit den Worten „Wunder dauern etwas länger!“

„Daran habe ich mich gewöhnt“, antwortet er. In seinem Leben habe gelernt zu warten. „Aber wenn der Wille stark genug ist, dann passieren die Wunder auch“, meint er zu ihr.

Tod des Bruders nicht verkraftet

Marcel hat 2 Geschwister, sein Lieblingsbruder, der Älteste von allen war immer sein großes Vorbild. Durch eine schwere Krankheit verstarb dieser aber plötzlich mit 18 Jahren, Marcel war damals 12 Jahre alt. Seine Mutter war geschieden und heiratet nach dem Tod des Sohnes erneut. Das Verhältnis zu seinem Stiefvater war von Anfang an schwierig. Er konnte es ihm nie Recht machen und auch seine Mutter war kein Halt mehr für ihn in der Familie. Mit 13 Jahren trieb er sich nach der Schule meist auf dem Hauptbahnhof in Hannover mit Freuden herum. Viele waren älter und um dazuzugehören, begann er Alkohol zu trinken und nach und nach auch für die Gruppe mit Drogen zu handeln. Mit 16 Jahren wurde er dabei erwischt und kam deshalb in die Jugendstrafanstalt. Nach abgesessener Haftzeit begann er eine Lehre als Koch, die er allerdings wegen der harten Arbeitsbedingungen nach 2 Jahren abbrach. Er lernte seine Freundin kennen, die auch in der Drogenszene in Hannover aktiv war. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, eigenständig vom Alkohol und der Drogensucht auszusteigen, wurde seine Freundin schwanger.

Ein Kind änderte alles

Durch diese Nachricht veränderte sich schlagartig seine Einstellung zum Leben. “Ein Kind zu bekommen und dafür verantwortlich zu sein, ist etwas ganz “Großes”, sagte Marcel. “Da kann man nicht betrunken in der Ecke liegen, wenn das Baby einen braucht.” Diese bevorstehende Verantwortung habe ihm sehr viel Kraft gegeben um mit einer Therapie zu beginnen. Der Entzug dauerte allerdings länger als geplant und in der Zwischenzeit kam seine Tochter kam mit einer Behinderung auf die Welt. Da beide Eltern ihr Kind aufgrund des Gesundheitszustandes nicht alleine versorgen konnten, kam die kleine Sharon in die Obhut einer Pflegeeinrichtung. Marcel war einerseits sehr froh, über diese Entscheidung, andererseits brach es ihm das Herz ,seine kleine Tochter nur unter Aufsicht in fremden Räumen zu sehen. Inzwischen sind zwei Jahre vergangen, Marcel ist clean und er hat auch die Mutter seiner Tochter zu einer Therapie überreden können.

Brille ermöglicht Ausbildung

Aktuell macht er einen Gabelstaplerführerschein um sich später in der Logistikbranche zu bewerben. Dabei fiel auf, wie schlecht seine Augen inzwischen geworden sind und er mit dem Gabelstapler nicht immer die richtige Regalreihe trifft. Eine Brille musste her, aber das Geld reicht dafür nicht. Zu zwei MEHRBLICK-Sprechstunden ist Marcel gekommen und jedes Mal gab es keine passende Brille für ihn. Als dann letztlich Gläser für ihn angefertigt wurden, ist das Paket bei der Post verloren gegangen. Beim dritten Anlauf klappte es dann tatsächlich mit der passenden Brille und Marcel ist zuversichtlich, dass er mit einer vernünftigen Ausbildung langfristig für seine Tochter sorgen kann. “Ich freue mich mit meiner Freundin über jeden noch so kleinen Fortschritt, den Sharon macht. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, weiß ich wofür ich lebe!”