Ohne seine Brille sieht Thomas Friedel (Namen von der Redaktion geändert) fast nichts. Mit -13 Dioptrien verschwimmt die Welt für ihn zu grauen Flächen, Menschen werden zu Schatten. Seit vielen Jahren lebt Thomas auf der Straße. Seine kaputte Brille ist für ihn mehr als ein Defekt: Sie bedeutet den Verlust von Sicherheit und Selbstständigkeit. Hilfe zu bekommen ist schwierig, oft unerreichbar. Und doch gibt es sie noch, diese Hoffnung auf einen klaren Blick und ein Stück Normalität.

Seine Brille war kaum noch zu ertragen: tief zerkratzte Gläser, notdürftig mit Klebeband fixierte Bügelenden und ein verbogener Metallrahmen, den er mit Tesafilm und dünnem Draht zusammenhielt. Dieses Stück Kunststoff und Metall war sein einziges Fenster zur Welt und doch fast völlig unbrauchbar. Über das Betreuungsteam der Berliner Stadtmission erfuhr Thomas schließlich von MEHRBLICK…
Keine passende Brille– was nun?
Als Thomas Friedel zu unserer letzten Sprechstunde im Zentrum am Zoo in Berlin kam, hatten wir gehofft, ihm sofort helfen zu können. Doch schnell wurde klar: In unserem mobilen Lager gab es keine Brille, die seinen außergewöhnlich hohen Werten auch nur annähernd entsprach. Für einen Moment lag Enttäuschung in seinem Blick – ein Blick, der ohnehin schon von Unsicherheit geprägt war.

Zuerst suchten wir gemeinsam eine passende Fassung aus, die stabil war und in der er sich wohlfühlen konnte. Erst danach konnten die speziellen Gläser bestellt werden, die seine starken Dioptrien erforderten. Solche Gläser liegen nicht einfach auf Lager, sondern müssen extra angefertigt werden. Das macht sie teuer, doch für Thomas sind sie unverzichtbar. Da wir aus technischen Gründen keine Gleitsichtbrillen herstellen können, entschieden wir uns zunächst schweren Herzens, nur eine Fernbrille anfertigen zu lassen. Für die Nahbrille gab unser Team jedoch nicht auf. Wir suchten weiter – nach Fördermöglichkeiten, nach Unterstützung, nach jedem Weg, der Thomas endlich wieder erlaubt, klar zu sehen, was direkt vor ihm liegt.
Studierende unterstützen
Durch den aufmerksamen Hinweis einer engagierten Berliner Optikerin eröffnete sich für Thomas Friedel plötzlich eine neue Chance. Christiane Faude-Großmann, die Geschäftsführerin von MEHRBLICK, meldete ihn daraufhin für ein Trainingsprogramm der Studierenden der Beuth Hochschule für Optometrie an. In diesem Programm üben die angehenden Optometrist:innen an realen Patient:innen. Diese erhalten dafür kostenlos eine individuell angepasste Brille. Und Thomas erhielt gleich zwei – eine für die Nähe und eine für die Ferne. Für jemanden, der jahrelang nur durch zerkratzte, notdürftig zusammengehaltene Gläser in die Welt blicken konnte, ist das ein unbeschreiblicher Gewinn. Vielleicht sogar der erste Schritt eines neuen Weges – ein Weg, der Thomas hilft, wieder Halt zu finden und langsam aus der Obdachlosigkeit herausführt.



